Brückenbau
Im zurückliegenden Schuljahr beschäftigten sich die Schüler der Klassenstufe 9 im Rahmen des Faches NwT über einen Zeitraum von 8 Wochen mit dem Thema „Brücken“.
Brücken in der Natur / Historische Brücken
Wir stiegen in das Thema ein mit der Sammlung, Betrachtung, Analyse und dem Vergleich von Brücken, die in der Natur vorkommen : z.B. umgestürzte Bäume, deren Stämme zufällig einen Abgrund überbrücken, durch Ameisen gebildete „lebende“ Brücken, die nur bei Bedarf gebildet werden oder durch Erosion oder Vulkanismus entstandene steinerne Brücken, wie z.B. die Owachomo Bridge, ein nationales Naturdenkmal im US-Bundesstaat Utah. Danach behandelten wir Schiffs- bzw. Pontonbrücken (die schon der Perserkönig Darius im Jahr 493 v. Chr. zur Überquerung des Bosporus einsetzte) und bauten solche (in Zweier- oder Dreierteams) nach – die allermeisten Modelle bestanden dabei den Schwimmtest.Julius Cäsar überquerte 438 Jahre nach Darius’ Bosporusmanöver den Rhein mithilfe einer Holzbrücke. Nach einer historischen Beschreibung bauten wiederum Kleingruppen aus zwei bis drei Schülern Modelle dieser Rheinbrücke nach.
Holzschutz / Technisches Zeichnen / Statik
Am Beispiel der Brücken im Kurpark von Bad Wurzach übten die Schüler, Skizzen von Brücken zu erstellen. Außerdem dienten diese Brücken als Ausgangspunkt von Untersuchungen über konstruktive, also nicht durch Behandlung mit Chemikalien (Holzschutzmittel) sondern durch die Bauweise erzielte Holzschutzmaßnahmen wie z.B. abgerundete Form, Verkleidung von Stirnholzseiten mit Metall oder Spalten zwischen den Brettern. Nach den Holzbrücken ging es im Unterricht weiter mit Steinbrücken. Anhand dieses Themas untersuchten wir exemplarisch einfache statische Prinzipien : welche Zug- und Druckkräfte treten bei Brücken auf und wie werden diese aufgefangen bzw. abgeleitet. Dazu betrachteten wir den sog. „Kragbogen“ und den „echten“ Steinbogen, der erst nach Einsetzen des zentralen Schlusssteines (= “Scheitelstein“) stabil steht. Dass Gewölbe nicht nur bei Steinbrücken auftreten merkten wir, als wir unsere Füße untersuchten und sowohl ein Längs- wie auch ein Quergewölbe entdeckten. Dabei erfuhren wir, dass genau das Einsinken dieser zwei Gewölbe zum „Senk-„ bzw. „Spreizfuß“ führt.
Bautechnik / Baumaterialien
Nach Statik und Anatomie kam nun die Chemie ins Spiel : da zum Verbinden von Steinblöcken u. a. auch Mörtel verwendet wird, stellten wir in Versuchen diverse Mörtelmischungen her (Kalkmörtel / Zementmörtel) und untersuchten, unter welchen Bedingungen (Luftkontakt / Luftabschluss / unter Wasser) die verschiedenen Mörtelmischungen auf welche Art und Weise aushärteten (= “Abbinden“). Danach vertieften wir unsere Kenntnisse über Kalk, indem wir den technischen Kalkkreislauf betrachteten und so den chemischen Hintergrund und die Bedeutung der Begriffe „Brennen“, „Löschen“ und „Abbinden“ kennen lernten. Weiter ging es mit einem Baustoff, der die Vorteile von Holz (kurze Bauzeit) und Stein (Stabilität) verbindet : Eisen. Wir lernten, dass Gusseisen sehr spröde ist und deshalb nur Druckbelastungen aushält (also nur für Bogenbrücken geeignet ist), wohingegen Stahl auch Zugkräfte aufnehmen kann (und sich folglich auch für Hänge- bzw. Schrägseilbrücken eignet). Formen von Schrägseilbrücken, die wir im Unterricht behandelten sind : Fächerform, Harfenform sowie die Büschelform. Die zurzeit wohl berühmteste (und nach Meinung vieler auch schönste) Schrägseilbrücke der Welt durfte als Unterrichtsthema natürlich nicht fehlen : die von Sir Norman Foster entworfene Brücke von Millau, die in Südfrankreich zur Entlastung der Gemeinde Millau als Teilstück der Autobahn A 75 das Tal des Flusses Tarn überspannt. Nachdem die Schüler eine Informationsbroschüre zu dieser Brücke entworfen und erstellt hatten, untersuchten wir bautechnisches „Know-How“ wie z. B. das Prinzip des Taktschiebeverfahrens, welches ein solches Bauwerk erst möglich macht. Außerdem wurden Aufgaben zu den ökonomischen Aspekten dieses Bauwerks (Baukosten / Betriebskosten / Mauteinnahmen) gestellt und bearbeitet.Wir vertieften danach unsere ersten Schritte aus dem Bereich der Statik durch praktische Übungen : Lochstäbe und Briefklammern brachten uns die Erkenntnis, dass Dreieckskonstruktionen (im Gegensatz zu Vierecken) nicht in sich verschiebbar sind und somit eine hohe Stabilität aufweisen. Dies führte uns zu folgenden grundlegenden Typen von Fachwerkskonstruktionen. Ausgehend von diesen Grundlagen lernten wir auf experimentelle Art und Weise (also durch Ausprobieren) mit Hilfe einer kostenlosen (älteren) Version des Programms „BridgeBuilder“ wie man möglichst stabile Fachwerkkonstruktionen erstellt. Bei diesem Programm muss man mit einer vorgegebenen Maximalzahl von Fachwerkelementen einen mehr oder minder tückischen Abgrund mit einer Brückenkonstruktion überwinden. Zu Testzwecken fährt anschließend ein stilisierter Modellzug darüber und prüft die Belastbarkeit der Brücke. Da das Budget bei den einzelnen Aufgaben (deren Schwierigkeitsgrad stets zunimmt) begrenzt ist, kommt es bei ihrer Lösung nicht nur auf ungezügelte Kreativität und schon gar nicht auf planloses, Material verschwendendes „Drauflos-Klotzen“ an, sondern auf zweckmäßiges Anwenden der zuvor behandelten grundlegenden Prinzipien.
Projekt
Die so gewonnenen Kenntnisse über Brücken (samt ihrer Statik) wurden in einem Projekt umgesetzt, welches sich am Brückenbauwettbewerb der FH Augsburg orientierte. Bei diesem jährlich für die Studierenden der Fachrichtungen Architektur und Bauingenieurwesen ausgelobten Wettbewerb muss eine selbst gebaute Brücke aus vorgegebenen Materialien eine Spannweite von 80 cm freitragend (also ohne Stützen, die bis zum Boden reichen und ohne horizontale Kraftaufnahme, d.h. ohne Anbinden der Brücke am Tisch oder am Fenstergriff) überspannen. Bewertet wird nicht die absolute Traglast, sondern das Verhältnis aus Traglast zu Eigengewicht (Motto : „Grazil und stabil zugleich“). Die in bisherigen Wettbewerben vorgeschriebene Materialien waren z.B. Balsaholz / 4 mm (1997), Stahlblech / 0,2 mm (1998) oder Bambusstäbchen mit Paketschnur (ohne Klebstoff / 2004). Im Jahr 2006 wurde von den Veranstaltern als Material „Wellpappe und UHU-Kleber“ ausgegeben. Wir legten für unser Brücken-Projekt als Baumaterial Papier & Pappe / 1,5 mm (das entspricht etwa der Stärke eines Zeichenblock-Rückens) sowie Paketschnur und Klebstoff fest. Weitere Vorgabe war, dass die Fahrbahnbreite mindestens 10 cm betragen musste und als (statisch unbedeutende) Zusatzbedingung war verlangt, dass eine Auf- und eine Abfahrt für ein Modellwägelchen aus der Physik-Sammlung vorhanden sein musste. Da wir natürlich keine der FH Augsburg ebenbürtige Ausstattung („schweres“ hydraulisches Gerät, welches die Brücke mittels Zugkräften von unten bis zur Belastungsgrenze zieht und gleichzeitig die aufgewendete Kraft misst und aufzeichnet) zur Verfügung hatten, mussten wir bei der Ermittlung der maximalen Traglast auf etwas „handfestere“ Mittel zurückgreifen. Mit Hilfe von quer über die Mitte der Brücke gelegten Eisenstangen und Eimern, welche links und rechts daran gehängt waren, konnten wir die Traglast durch Zugabe von Wasser aus dem Messbecher schrittweise bis zum Einsturz der Brücke erhöhen. Selbstverständlich wurde bei diesem schulischen Projekt nicht nur der Quotient aus Traglast und Eigengewicht bewertet, sondern auch andere Aspekte wie die saubere Verarbeitung oder ein schriftlicher Arbeitsbericht, der den Projektablauf bei jeder Gruppe (meistens bestehend aus drei Schülern) dokumentierte. Trotzdem dürfte es auch für den Leser dieses Artikels interessant sein, dass die „stabilste und grazilste“ Brücke von einer aus vier Mädchen bestehenden Gruppe gebaut wurde. Bei einer Eigenmasse von 1,4 kg stürzte sie erst bei einer Last von 54 kg zusammen. Sie trug also fast das vierzigfache ihres eigenen Gewichts !
Peter Allgaier