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Zusammenarbeit

Seit dem Jahr 2014 unterstützt die Hera-und-Richard-Schahl-Stiftung Schülerinnen und Schüler durch großzügige Stipendien bei Auslandsaufenthalten.

Ein Interview mit dem Stifterehepaar Hera und Richard Schahl

„Momente des Glücks sind Impulse fürs Leben”

An einem sonnigen Fronleichnamstag in den Pfingstferien 2016 trafen sich Karin und Josef Heine mit dem Ehepaar Schahl in deren Münchner Villa in Grünwald. Schon beim Betreten des Hauses, das in illustrer Nach­barschaft zu manchen Berühmtheiten aus dem Sport und der Filmwelt liegt, wird klar: Hier handelt es sich um gediegenen Wohlstand, hart und trotzdem besonnen erarbeitet, gepaart mit Bescheidenheit und tiefempfundenen Werten. Flur und Treppenhaus sind geschmückt mit vielen Werken des Salvatorianerpaters und Künstlers Ivo Schaible, zu dem das Ehepaar eine besonders innige Beziehung hat. Von ihm stammen unter anderem die bronzenen Türgriffe an unserer Schule sowie der Kreuzweg und die Glasfenstermedaillons in der Schlosskapelle bei den Salvatorianerpatres.

K.Heine: Herr Schahl, Sie und Ihre Frau, Sie haben in Südamerika, genauer in Kolumbien, den Grundstein Ihres Vermögens gelegt. Was war vor Kolumbien?

Herr Schahl: Meine Frau und ich stammen aus einfachen Verhältnissen. Hera ist in Olmütz in Tschechien geboren. Sie erlebte während der Nachkriegszeit Vertreibung, Zwangsarbeit, Hunger und Not und landete schließlich bei einem Onkel in Stuttgart. Ich selber bin als ältestes von fünf Kindern in Stuttgart geboren. Der Vater war im Krieg und ich mit 15 Jahren Flakhelfer. 1944 waren wir ausgebombt. Nach dem Krieg habe ich die Mittlere Reife gemacht und mich mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser gehalten. Der Vater kam 1946 aus französischer Kriegsgefangenschaft zurück, 1948 begann ich eine Lehre als Drogist, was mir sinnvoll erschien, denn ich hatte immer eine Affinität zur ­Biologie. Als Drogist spezialisierte ich mich auf das Entwickeln von Fotos und verbrachte viel Zeit in der Dunkelkammer.
Ich arbeitete anschließend bei einer Fotogroßhandlung – das Thema Fotografie hat mich seitdem nicht mehr losgelassen – und lernte dort nicht nur den Export kennen, sondern auch … meine geliebte Frau. Das war 1953.

K.H.: Wie kam es zu dem Wunsch ins Ausland zu gehen?

Herr Schahl: Nun, zum einen hegte ich in mir seit meiner frühesten Jugend den Wunsch wegzugehen, allem, also auch meiner Familie, aus der ich kam, vor allem aber auch Nachkriegsdeutschland den Rücken zu kehren. Verhältnismäßig früh erkannte ich, dass Nationalismus immer Krieg zur Folge hat.
Um mir meinen Traum und meine Sehnsucht zu erfüllen, gab ich eines Tages in einer Fachzeitschrift eine Annonce auf mit dem Wortlaut „Fotoverkäufer sucht Stelle im Ausland.“ Es gab zwei Antworten, eine davon kam aus Bogotá in Kolumbien. Ein paar Wochen später war ich einer von 12 Passagieren auf einem Bananendampfer. Die Überfahrt dauerte 13 Tage und war überaus lehrreich, denn meine Mitreisenden ließen es nicht an guten Ratschlägen fehlen. Und so trat ich 1955 trotz minimalster Spanischkenntnisse eine Stelle als Fotoverkäufer an. Es gab zwei Fotogeschäfte in Bogotá, die deutsche Fotoprodukte vertrieben und bei denen die High Society der Stadt einkaufte. 1957 wurde ich Geschäftsführer.

K.H.: Was ist aus Ihrer damaligen Freundin, Ihrer heutigen Frau geworden?

Herr Schahl: Sie ließ sich trotz meiner sehr realistischen oder besser gesagt nicht beschönigenden brieflichen Schilderungen über mein neues Zuhause nicht davon abhalten, meine Braut zu werden, packte 1956 eine große Haushaltskiste und setzte sich ins Flugzeug nach Bogotá.

K.H.: Und wie kam es dann zur Verbindung mit den Salvatorianern, die, soviel ich weiß, auf Ihre Bogotaer Zeit zurückgeht?

Herr Schahl: Wir hatten Freunde in der kolumbianischen Gesellschaft und auch deutsche Freunde. Unter den deutschen Freunden waren einige Salvatorianer: Pater Josef Gierer, Pater Ivo Schaible, Pater Diethard Riegel und Pater Robert Weber. Pater Robert hat uns am 8.12.1956, auf 2640 Meter Höhe, getraut. Seit dieser Zeit sind wir den Salvatorianern aufs engste verbunden, sozusagen kein Hochzeitstag ohne sie. Besonders nahe war uns Pater Ivo. Uns vereinte das gemeinsame Interesse an der Natur, die Liebe zur Kunst. Die Intensität der kolumbianischen Farben sowie die vielfältige Pflanzen- und Tierwelt haben uns beide für immer geprägt. Meine Frau und ich haben eigens einen Verlag gegründet, um den Werken von Ivo Schaible ein ehrendes An­denken zu ermöglichen. Die meisten seiner Werke sind von mir erfasst und dokumentiert worden.

K.H.: 1964 sind Sie beide nach Deutschland zurückgekommen. Wie haben Sie das Heimkommen erlebt?

Herr Schahl: Wir sind auch deshalb nach Deutschland zurückgekommen, weil wir gerne Kinder gehabt hätten und wir befürchteten, das Klima in Kolumbien könnte unserem Wunsch abträglich sein. Der gemeinsame Kinderwunsch wurde leider nicht erfüllt, mit ein Grund, weshalb uns in unserer Stiftung Kinder und Jugendliche so am Herzen liegen. Bevor wir allerdings nach Europa zurückkehrten, begaben wir uns auf eine Weltreise durch Mittel- und Nordamerika, die uns über New Orleans, Philadelphia, Hawaii schließlich nach Japan und Hongkong führte. Wir verbanden das Angenehme mit dem Nützlichen und knüpften vor allem in Japan auch geschäftliche Kontakte, die uns für unsere spätere Firmengründung in Deutschland von größtem Nutzen waren. Als wir dann schließlich von Gundelfingen, über Stuttgart und schließlich in München unseren internationalen Großhandel für Fotolampen aufbauten, ist uns dies unter anderem gelungen, weil wir weltweit vernetzt waren und Kontakte zu den wichtigsten Marktführern auch außerhalb Deutschlands aufgebaut hatten. Von einem Gefühl des „Abstürzens“ in der eigenen Heimat kann also keine Rede sein, wir hatten ja etwas mitgebracht. Die im Ausland gewonnenen Kontakte und Freundschaften haben wir weiterhin gepflegt und pflegen sie zum Teil heute noch. Unsere Zeit in Kolumbien gab uns die Möglichkeit, in einem positiven und nicht arrogant gemeinten Sinne über dem Durchschnitt zu sein. Wir hatten, das wollen wir gerne zugeben, den Wunsch, in materiell nicht nur gesicherten, sondern auch wohlhabenden Verhältnissen zu leben. Dies ist uns sicherlich gelungen, dazu hat natürlich auch Deutschland seinen Teil beigetragen. Es ist uns aber auch gelungen, eine Sensibilität zu entwickeln gegen chauvinistische Misstöne in unserem Land. Heimat ist wichtig, aber das Bewusstsein, dass sie nur ein winziger Teil der Welt ist, ist genauso wichtig. Wenn man zurückkommt, schätzt man die Heimat, aber man setzt sie nicht höher, als sie sein sollte.

K.H.: Würden Sie sagen, Ihr Aufenthalt im Ausland hat Sie nicht nur in materieller Hinsicht weitergebracht, sondern hat Sie auch als Persönlichkeit geprägt?

Herr Schahl: Zugegeben, mein Vater hat in mir den Willen zur Selbstständigkeit bestärkt und das Händchen oder das Fingerspitzengefühl fürs Geschäft war mir sozusagen als Geschenk mitgegeben.
Gelernt habe ich aber, und das würde ich gerne den jungen Menschen mitgeben, wie wichtig es ist, nicht nur mit offenen Augen und Ohren durch die Welt zu gehen, sondern auch mit offenem Herzen. In einer fremden Welt die Sitten und Gebräuche, die Gewohnheiten wertfrei zu studieren, eine Sprache zu lernen, um dadurch zu einer Akzeptanz des Anderen und zu einem Respekt vor ihm zu gelangen, die nichts mit Besserwisserei und Arroganz zu tun hat.

K.H.: Wozu raten Sie also den jungen Leuten?

Herr Schahl: Seid authentisch, ehrlich, rechtschaffen und nehmt euer Leben in die Hand. Auslandserfahrungen werden euch persönlich bereichern und ihr könnt aus ihnen viel für den persönlichen und beruflichen Erfolg lernen.

K.H: Sie haben 2013 die Hera-und-Richard-Schahl-Stiftung gegründet. Was war Ihre Motivation zu diesem Schritt?

Herr Schahl: Der Stiftungsgedanke trieb uns schon längere Zeit um. Hätten wir Kinder gehabt, so hätten wir ihnen auch eine gute Ausbildung und Erziehung angedeihen lassen. Sie hätten unser Erbe weitergetragen. Mit Hilfe des Stiftungsvermögens können wir dies nun für andere Kinder und Jugendliche leisten, vor allem für solche, deren Eltern dazu nicht die Mittel haben. Natürlich hoffen wir auch und freuen uns darüber, wenn die von uns Geförderten unseren Namen über unsere Zeit hinaus weitertragen. Der Sitz der Stiftung ist in Basel und wir haben in Herrn Schwarzenbach, dem Präsidenten der Stiftung, einen hervorragenden Vertreter unserer Interessen gefunden. Respekt und Toleranz vor anderen Menschen und Kulturen müssen gelebt werden, dazu kann die Stiftung ihren Teil beitragen, indem sie Kinder und Jugendliche bei ihren Auslandsaufenthalten unterstützt.

K.H.: Herzlichen Dank für das Interview.

Anmerkung von Karin Heine: Das Gespräch fand zu viert statt. Herr Heine ergänzte die Fragen. Frau Schahl, die leider an den Rollstuhl gebunden ist, hat die Ausführungen ihres Mannes immer wieder durch meist humorvolle Unterbrechungen ergänzt. Oft, wenn es um ihre eigene Lebensleistung ging, winkte sie bescheiden ab.

 

 

Interview mit dem Präsidenten der Stiftung Herrn Jörg Schwarzenbach

Karin Heine: Wie kam es zu einer ­Ver­bindung zwischen Ihnen und der Familie Schahl?

Herr Jörg Schwarzenbach: Ich habe Herrn und Frau Schahl vor vielen Jahren kennengelernt und mit dem Ehepaar über ­all die Zeit einen losen Kontakt aufrechterhalten. Vor ungefähr 6 oder 7 Jahren hat mich Herr Schahl bezüglich der Gründung einer ge­meinnützigen Stiftung kontaktiert, weil er wusste, dass ich mich in solchen Fragen auskenne.

K.H.: Worin liegen Ihre Aufgaben als Präsident der Stiftung?

Hr. Schwarzenbach: Verantwortlich für die Stiftung ist der Stiftungsrat. Ihm obliegt vor allem die Pflicht, den Willen des oder der Stifter, der im Stiftungszweck festgehalten ist, getreulich umzusetzen und die Mittel zweckbestimmt und massvoll einzusetzen.
Als Präsident der Stiftung habe ich primär die Aufgabe, die Geschäfte der Stiftung zu führen. Ich bin auch Adressat im Umgang mit Behörden. Da in unserem Fall der Stiftungsrat nur aus fünf Personen besteht, erledige ich den größten Teil der Korrespondenz selber und bin die primäre Kontaktperson für die Gesuchsteller und -stellerinnen. 

K.H.: Wie ist Ihr Verhältnis zum Geld im Allgemeinen und der Verantwortung für eine Bildungsstiftung, die jungen Menschen zugutekommt, in Besonderen? Gibt es Widersprüche?

Hr. Schwarzenbach: Da ich in meinem langen Berufsleben immer wieder Personen betreut und beraten habe, die zum Teil über sehr große Vermögen verfügen, selber aber aus einer bürgerlichen Familie aus dem Mittelstand stamme, habe ich zu Geld und Reichtum ein völlig neutrales Verhältnis entwickelt.
Wenn nun Personen, die durch ihre Arbeit über die Jahre ein grösseres Vermögen angespart haben und dieses nun über Stiftungen und ähnlichen Institutionen zugunsten der Ausbildung von weniger privilegierten, jungen Menschen einsetzen, ist dies höchst verdankens- und bewunderungswert. Eine solche Stiftung zu präsidieren, ist für mich eine sehr befriedigende Aufgabe und erregt in mir absolut keinen Widerspruch.

K.H.: Welche Eindrücke haben Sie von Ihrem Besuch im Salvatorkolleg und von den Schülern und Schülerinnen mitgenommen, die Ihnen vorgestellt wurden?

Hr. Schwarzenbach: Der Besuch im Juni 2016 mit zwei Stiftungsräten bei Pater Friedrich und zwei Herren der Schulleitung im Gymnasium Salvatorkolleg war äußerst eindrucksvoll. Nachdem die Stiftung schon vor unserem Besuch Anfragen von Schülerinnen und Schüler für Stipendien positiv beantwortet hat, habe ich Gelegenheit gehabt, vor Ort einige „Empfänger“ persönlich kennenzulernen. Die Dankbarkeit, die diese Schülerinnen und Schüler zum Ausdruck gebracht haben, war höchst beeindruckend. Ich habe gespürt, dass es für sie keine Selbstverständlichkeit ist, von der Stiftung finanziell für einen Auslands- oder Sprachaufenthalt unterstützt zu werden. Aus der Schilderung eines Schülers respektive aus Briefen von Schülern, die bereits ihren Auslandsaufenthalt hinter sich haben, habe ich entnommen, dass sie mit bleibenden Erinnerungen und wertvollen Lebenserfahrungen zurückgekehrt sind. Denjenigen, die ihren Aufenthalt noch vor sich haben, konnte ich ihre große Vorfreude und Erwartung auf Neues im Gesicht ablesen. Ich habe aber auch die Überzeugung gewonnen, dass die Schulleitung die Auswahl der Stipendiaten äußert seriös trifft, so dass der Stiftungsrat die Gewissheit hat, die „Richtigen“ zu unterstützen.

K.H.: Aus Ihrer Berufs- aber vor allem aus Ihrer Lebenserfahrung heraus – welche Ratschläge würden Sie jungen Leuten mit auf den Weg geben?

Hr. Schwarzenbach: Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie wichtig es ist, sich für eine gewisse Zeit in einem fremden Land aufhalten und andere Kulturen und Menschen kennenlernen zu können. Dies erweitert einem den Horizont und das Verständnis für ein weltoffeneres Zusammenleben der Menschen. In der heutigen Zeit scheint mir dies dringender denn je. Deshalb wünschte ich mir, dass möglichst viele junge Leute den Willen und den Mut haben, in fremden und anderen Kulturkreisen zu leben, sei es für kürzer oder länger. Aus diesem Grunde rate ich jungen Leuten, solche Gelegenheiten wenn immer möglich beim Schopf zu packen und die anfängliche Angst vor Ungewissem zu überwinden. Von den Eltern wünschte ich mir, dass sie ihr Kind zu einem solchen Schritt animieren. Das Stehen auf eigenen Beinen stärkt die Charakter- und Willensbildung eines jeden und wirkt sich förderlich auf das zukünftige Leben aus. In diesem Sinne freue ich mich, weiteren Schülerinnen und Schülern mit der finanziellen Unterstützung der Stiftung den Weg für eine Auslandserfahrung zu öffnen.

Beide Interviews führte Karin Heine