Salvatorkolleg trotzt dem Brexit
Das Riesenrad „London Eye“? Nein. Madame Tussaud´s Wachsfigurenkabinett? Auch nicht.
Was also sehen Bad Wurzacher Schülerinnen und Schüler in London, als sie im Rahmen eines Austauschprogramms mit der Partnerstadt Wallingford die Hauptstadt besuchen? Zunächst einmal das Victoria and Albert Museum. Ein Museum, das wie auch andere große Museen in der britischen Metropole kostenlos zu besichtigen ist. Hier wird sichtbar, dass Großbritannien einmal ein Weltreich war, Objekte aus unterschiedlichen Kulturen wurden zusammengetragen. Vertreten sind verschiedene Bereiche wie Keramik, Möbel, Schmuck, Mode, Gemälde oder Bildhauerei. Eine Besonderheit ist ein Raum mit Abgüssen von antiken Artefakten. Dieser beherbergt zum Beispiel eine Nachbildung der in Rom beheimateten Trajanssäule, die auf einem spiralförmig aufsteigenden Fries Szenen aus den erfolgreichen Kriegen der Römer gegen die Daker in den Jahren 101/102 und 105/106 zeigt. Somit ergibt sich für die Londonbesucher eine interessante Querverbindung zu der Romfahrt im Oktober 2024, die anlässlich des 100-jährigen Schuljubiläums stattfand. Einige Schüler hatten das Original in der italienischen Hauptstadt bewundern können.
Dem Museumsbesuch folgt ein Spaziergang durch den Innenstadtbereich Londons, der an den Hauptsehenswürdigkeiten vorbeiführt: Tower of London, Tower Bridge, Millennium Bridge, Houses of Parliament samt Big Ben und Buckingham Palace. Das berühmt-berüchtigte englische Wetter mit seinem Wechselspiel aus Wind, Regen und Sonne sorgt dabei für deutlich weniger Begeisterung als die touristischen Attraktionen. Trotz des strammen Tempos der Reiseleitung sieht man auch zufriedene Schülergesichter, da die knappen Pausen genutzt werden können, um Fotos zu schießen oder Andenken zu erwerben. „Schauen Sie mal, ein Magnet, der Big Ben, einen roten Doppeldeckerbus und eine rote Telefonzelle vereint!“ – so der glückliche Ausruf einer Schülerin aus Klasse 10. Die Rückreise nach Wallingford wird von lautstarken „Desinfektionsmittel“-Rufen beherrscht. Einige Schüler hatten sich Desinfektionsmittel besorgt, vielleicht aus Angst vor möglichen Krankheiten in Anbetracht all der Dinge, die man in der Großstadt anfasst. Eine Lehrerin bemerkte dies und meinte, dass sie diese Vorsichtsmaßnahme für unbegründet halte. Mit diesem Hinweis wird das Gegenteil erreicht, ein riesiger Desinfektionsspaß greift um sich.
Rückblende: Sonntag 9.03., 20.00 Uhr, Bushaltestelle Salvatorkolleg. Koffer werden im Omnibusbauch verstaut, Umarmungen von Kindern und Eltern. Schülerinnen und Schüler aus den neunten und zehnten Klassen des Salvatorkollegs mit Bus und Fähre auf dem Weg zum Schüleraustausch nach Wallingford. Die englischen Kinder waren im vergangenen Dezember zu Besuch in Bad Wurzach gewesen. Nach einer 21-stündigen Fahrt ist das Ziel endlich erreicht, alle werden von ihren Gastfamilien empfangen. Am folgenden Tag besuchen die Wurzacher Unterrichtsstunden in der Partnerschule, um einen anderen Schulbetrieb kennenzulernen. Nachmittags ein Empfang im Wallingforder Rathaus. Der für die Städtepartnerschaft zuständige Stadtrat begrüßt die Gäste und gibt einige grundlegende Informationen zur Wallingforder Geschichte.
Mittwoch,12.03.: An diesem Tag steht Portsmouth auf dem Programm, wo das Schiff von Lord Nelson im Portsmouth Dockyard besichtigt wird. Nelson kommandierte die britische Flotte bei der Seeschlacht von Trafalgar im Jahr 1805. Die feindliche französisch-spanische Flotte wurde eindeutig geschlagen, wodurch die Vorherrschaft Großbritanniens auf See für lange Zeit gesichert war.
Donnerstag, 13.03.: Dieser Tag steht ganz im Zeichen der London-Exkursion, für viele sicherlich der Höhepunkt.
Am Freitag findet ein Ausflug in die unweit von Wallingford gelegene Universitätsstadt Oxford statt. Das besuchte Christchurch College wartet nicht nur mit einer beeindruckenden Architektur auf, die für Harry Potter-Filme Kulissen bereitstellte. Als beeindruckend – oder besser gesagt kurios – erweist sich auch die Art und Weise, wie die Führung vonstatten geht: Die Schülerinnen und Schüler bekommen Audioguides, die Lehrpersonen nicht. Letztere müssen ihrer Aufsichtspflicht nachkommen und dafür sorgen, dass ihre Schützlinge in den heiligen Hallen keinen Unfug treiben; was natürlich nicht möglich ist, wenn die Aufsichtspersonen ebenfalls unter Zuhilfenahme von Audioguides ihr Wissen erweitern wollen. Schließlich kann man sich nur auf eine Sache konzentrieren. Um die Aufsicht erfolgreich wahrnehmen zu können, werden die Lehrpersonen mit Flaggen in unterschiedlichen Farben ausgerüstet, damit auch stets erkennbar ist, welche Schüler zu welchem Lehrer gehören.
Samstag, 15.03.: Die Schülerinnen und Schüler unternehmen etwas mit ihren Gastfamilien. Dabei schließen sich zum Teil mehrere Familien zusammen. Eine schöne Idee, die zum Teil bereits an den Tagen zuvor realisiert wurde, indem mehrere Gasteltern mit ihren Kindern und Gästen beispielsweise gemeinsam eine Pizzeria aufsuchten.
Am Sonntag Abfahrt um 13.30 Uhr. Umarmungen, Tränen, Winken bei der Abfahrt.
„Ich hatte etwas Angst vor dieser Woche, da wir in Deutschland nicht so gut miteinander auskamen. Aber jetzt war alles super, wir haben uns angefreundet“. So eine englische Schülerin zu einem Wallingforder Lehrer. Der Brexit hat Großbritannien von Festlandeuropa entfernt, aber Aktionen wie dieser Schüleraustausch beweisen, dass nach wie vor ein gutes Miteinander möglich ist. Ein Austausch, der nicht selbstverständlich ist, da viele deutsche Schulen nicht mehr über ein Austauschprogramm mit einer englischen Schule verfügen.
(Thomas Epting)