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Sozialpraktikum mit Beförderung

Ich gehöre zu einem der Jahrgänge, bei denen das BOGY aufgrund des Corona-Lockdowns ausgefallen ist. Deshalb war für mich wichtig, dass mein Praktikum mit der Betreuung von Menschen zu tun haben sollte. Außerdem wollte ich einen Einblick in einen Beruf bekommen, für den man ein Studium benötigt.

Dabei kam mir sehr entgegen, dass mein Patenonkel Arzt und Partner in der Loretto Klinik in Tübingen ist. Auf meine Frage, ob ich bei ihm ein Praktikum machen dürfe, hat er gleich begeistert reagiert.

Bei der Loretto Klinik handelt es sich um eine Tagesklinik, in der auch chirurgische Eingriffe vorgenommen werden. Alle dort beschäftigten Ärzte sind auf unterschiedliche Fachgebiete spezialisiert. Mein Patenonkel ist u.a. Facharzt für Viszeralchirurgie. Es war also klar, dass ich bei Operationen im Bauchraum dabei sein werde.

Der Montag und damit der erste Tag des Praktikums begann damit, dass ich einen blauen Arbeitskittel, einen Kasak, bekam. Dann ging es gleich in den Vorraum zum OP, denn Montag, Dienstag und Mittwoch sind die Tage, an denen mein Onkel vormittags operiert. Dort bekam ich zunächst eine Einweisung in die notwendigen Hygieneregeln.

Zunächst galt es zu beobachten, wie eine OP abläuft. Während den Operationen wurde mir dabei der Ablauf einer OP, sowie elementare Dinge, die es dabei zu beachten gilt, ausführlich erläutert. Dadurch konnte ich hautnah erleben, wie die theoretischen Prozesse, die mir erklärt wurden, in der Praxis angewendet und umgesetzt wurden.

Am Dienstag wurde ich dann befördert. Ich war nicht mehr unbeteiligter Zuschauer. Ich durfte die Haken halten, mit welchen die Operationsstelle aufgehalten wird. Selbstverständlich war ich nie allein bei der Arbeit und wurde beaufsichtigt. Es war aber schon sehr spannend, nun so nah an der Operationsstelle zu sein.

In der restlichen Zeit durfte ich bei der Sprechstunde. Ich war bei den Gesprächen mit den Patienten dabei. Diese kamen mit vielfältigen Krankheits- und Lebensgeschichten. Man erfuhr etwas über Unfälle, die sie überstanden hatten, die aber bis heute ihre Gesundheit beeinträchtigen. Manche Patienten kamen mit einer Krebserkrankung, denn mein Patenonkel setzt und entfernt auch Ports für die Chemotherapie, damit Krebskranke in der Frauenklinik in Tübingen schneller eine Therapie bekommen können.

Was mich überraschte, war der große Unterschied, wie die Krankheit von den Patienten gesehen wurde. Manche waren froh darüber zu sprechen, während andere sich nicht mal als wirklich krank erachteten, obwohl man selbst der Meinung war, dass es nicht schlimmer hätte kommen können.

Ebenfalls war es interessant zu erleben, dass für manche Patientinnen, ein männlicher Arzthelfer ein Problem darstellte. In diesem Fall verließ ich selbstverständlich das Sprechzimmer. Denn besonders wichtig ist bei einer ärztlichen Beratung das Vertrauensverhältnis. Was das bedeutet, habe ich in diesen zwei Wochen Praktikum in vielen Facetten erleben dürfen. Ebenfalls habe ich erlebt, wie sich Angst ausdrückt und dass die Bewältigung von Angst viel Gesprächszeit und auch Vertrauen erfordert.

Johannes Föhr