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Vom Libanon bis Lesbos: Ein Erfahrungsbericht von Miriam Grupp


„Wenn Sie in den Nachrichten von so genannten Flüchtlingsströmen hören, denken Sie daran: Das sind Menschen, Menschen wie du und ich.“ Mit diesen Worten beendete Miriam Grupp ihren Vortrag "Vom Libanon bis Lesbos. Bildungsarbeit mit Kindern auf der Flucht" über ihre Arbeit als Flüchtlingshelferin. Im Rahmen von Menschen überwinden Grenzen, einer Vortragsreihe der Stiftung Salvatorkolleg berichtete die ehemalige Schülerin des Salvatorkollegs Miriam Grupp (Abitur 2009) am Abend des 4.März 2020 von ihren Erfahrungen, die sie in den Jahren 2018 und 2019 gesammelt hat, als sie jeweils für drei Monate in Flüchtlingscamps – einmal im Süden des Libanon, einmal in Moria, auf der griechischen Insel Lesbos – gearbeitet hat.

Ungefähr 1,5 Millionen syrische Flüchtlinge leben momentan im Nachbarland Libanon, das seinerseits nur etwa sechs Millionen Einwohner hat. Obgleich die beiden Länder 1982 Krieg gegeneinander führten, hat der Libanon Geflüchtete in einer Größenordnung aufgenommen, die einer Zuwanderung von 20,5 Millionen Geflüchteter nach Deutschland entsprächen – ein Land, dessen demokratische Grundfesten bereits durch 800.000 Flüchtlinge (was einem Prozent der Bevölkerung entspricht) im Jahr 2015 erschüttert wurden! Im Süden des Libanon, in der Bakaa-Ebene befindet sich eines der größeren Flüchtlingslager des Landes. Mit der Hilfsorganisation Salam war Miriam Grupp hier von März bis Mai 2019 vor allem in der Bildungsarbeit tätig.

Anstatt, wie es in den Nachrichten und Zeitungen oft geschieht, allein über die Härten und Schrecknisse des Lagers dort zu berichten, erzählte Miriam Grupp vom Leben der Kinder im Camp. Mehr als die Hälfte der im Libanon registrierten Geflüchteten sind unter 18 Jahre alt. Am Beispiel von Hasan (13) und Esra (11), den beiden ältesten von fünf Kindern eines syrischen Ladenbesitzers konnten die Besucher des Vortrages einen Blick auf deren Alltag werfen. Frau Grupp betonte hierbei, wie wichtig Bildungsangebote für die Jungen und Mädchen im Flüchtlingscamp sind.

Durch die Organisation Salam wurden verschiedene Projekte gestartet: Ein Kids Club für die Jüngsten, Kunstunterricht und Fußball für die größeren – und, was von den Kindern sehr geschätzt wird: Englischunterricht. Nur durch Bildung werden den Kindern und Jugendlichen Perspektiven vermittelt, was dringend nötig ist, denn im sozialen Kosmos der Camps findet gesellschaftlicher Rückschritt statt: Mit dem Ende der Grundschulzeit, also mit 12 Jahren, fangen die meisten Jungs zu arbeiten an, zumeist auf dem Feld oder auf dem Bau; fast ein Drittel der Mädchen wird zwischen dem 15. und 19. Lebensjahr verheiratet.

Vom Libanon aus ging die Flucht der Familie von Esra und Hasan dann weiter über Zypern und die Türkei bis nach Griechenland. Nach unbeschadet überstandener Fahrt auf dem Schlauchboot landete sie auf der Insel Lesbos. Dort wurden sie ins mittlerweile berüchtigte Lager von Moria gebracht. Ausgelegt für 3100 Menschen platzt das ehemalige Kasernengelände aus allen Nähten, wird nun von knapp 20.000 Menschen bewohnt, davon ein Drittel Kinder unter 12 Jahren.

Die furchtbaren Zustände dort sind durch Berichte in Zeitungen und Nachrichtensendungen bekannt, und von daher verwundert es nicht, dass viele Kinder traumatisiert und schwer psychisch erkrankt sind. Gleichwohl hat Miriam Grupp auch an dieser Stelle auf drastische Bilder und schockierende Details verzichtet und von ihrer Arbeit an der Moria School of Hope erzählt.

Auch hier hat Frau Grupp – bereits vor ihrem Einsatz im Libanon, von September bis Dezember, für die niederländische NGO Boat Refugee Foundation – als Lehrerin gearbeitet. Ihre Erfahrungen ähneln denjenigen im Libanon. Das Fazit ist das gleiche: Die Hilfsmaßnahmen von Organisationen wie dem UNHCR sind gut und richtig, zu oft aber erschöpfen sie sich in reinen Sofortmaßnahmen. Auf Dauer ist Bildung die beste Investition in die – sehr unsichere – Zukunft der Kinder. Für diese ist die Schule eine ersehnte Abwechslung vom Lageralltag, weswegen alle Bildungsangebote stets sehr gut besucht sind. Miriam Grupp meinte hierzu: „Ich habe noch nie erlebt, dass sich Kinder so sehr auf die Schule freuen.“


Markus Benzinger

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