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Timo Frasch: Einblicke in die Politikredaktion in Zeiten der Flüchtlingskrise

Am vergangenen Mittwoch, den 26.10. gab der Journalist Timo Frasch (Frankfurter Allgemeine Zeitung) einen Einblick in seine Arbeit, und insbesondere, wie sich diese vor dem Hintergrund der Flüchtlingskrise gestaltet. Der Vortrag Fraschs ist Teil der seit Jahren am Salvatorkolleg stattfindenden Vortragsreihe „Menschen überwinden Grenzen“.


Ein Vortrag der besonderen Art war es, den der aus dem schwäbischen Illertissen (also fast aus der Region) stammende Journalist in einem kleinen, aber gut gefüllten Raum am Foyer des Salvatorkollegs hielt: Keine Präsentation, keine bewegten Bilder, kein Power Point. Frasch vermochte es nur kraft seiner rhetorischen Fähigkeiten, und, mehr noch, ob der teils skurrilen, teils ergreifenden Erlebnisse in seinem Berufsalltag, die Zuhörer zu fesseln. Und so verging die knappe Stunde, die der Vortrag dauerte, wie im Fluge. Von den Gießener Hell’s Angels über AfD-affine Querulanten bis hin zu Oskar Lafontaine spannte sich der thematische Bogen im Vortrag des Preisträgers für Essayistik der Universität Bonn (Ernst-Curtius-Preis 2011).

Im Mittelpunkt aber – dies verrät auch der Untertitel der Veranstaltung: „Einblicke in die Politikredaktion in Zeiten der Flüchtlingskrise“ – stand die Wirkung der Ereignisse der letzten etwa anderthalb Jahre auf die Medien, und umgekehrt. Tatsächlich haben sich durch die Flüchtlingskrise neue Anforderungen an die Presse ergeben, neue Konfliktfelder aufgetan. Zum einen, so referierte Frasch, wurde – weniger bei den traditionellen bzw. professionellen Medien, ausgeprägt aber in den Foren und Chatrooms im Internet – der Ton rauer: Beleidigungen, Drohungen und Verhetzung nehmen zu, das Unrechtsbewusstsein zugleich ab. Viele zeichnen Beiträge voller Hass und Schimpfvokabular der untersten Schublade mit ihrem vollen Namen.

Zum anderen stehen die Qualitäts-Medien vor neuen Dilemmata. Wenn zum Beispiel, so berichtete Frasch aus eigener Erfahrung, in einem Erstaufnahmelager für Flüchtlinge ein großer Teppichboden-Belag von den Bewohnern über Nacht in kleine handliche Gebetsteppiche zerlegt wird, wie soll dann darüber berichtet werden? Soll überhaupt berichtet werden? Nicht jeder Bürger fasst die „Selbsthilfe“ der islamischen Flüchtlinge als eher ulkiges Schelmenstück auf. Berichten die Zeitungen wahrheitsgemäß, folgen die hochqualifizierten Urteile der Stammtisch-Soziologen auf dem Fuße: So seien sie eben, die Flüchtlinge. Kein Respekt vor dem Eigentum anderer etc.etc. Berichten die Zeitungen aber nicht und der Sachverhalt kommt dennoch ans Licht, ist schnell der Vorwurf im Raume, die „Lügenpresse“ steckt mit den „Kartellparteien“ unter einer Decke, um die besorgten Bürger zu täuschen.

Darüber hinaus warnte Frasch aber auch vor einfachen Lösungen in die entgegengesetzte Richtung: Nicht jeder, der die Arbeit der Presse skeptisch sieht, darf automatisch in die rechte bzw. populistische Ecke gestellt werden. Und so fordert Frasch Differenziertheit und Vernunft auf allen Seiten: Von den Zeitungen, die sich vor Sensationsheische, aber auch vor Selbstzensur hüten müssen, ebenso wie von den Rezipienten, die kritisch, aber nicht paranoid die Ereignisse in den Medien verfolgen sollten.

Am darauf folgenden Donnerstag vormittag stellte sich Timo Frasch den Fragen der Schülerinnen und Schüler der zehnten Klassen. Auch diese Begegnungen sind traditionell Teil der „Menschen überwinden Grenzen“-Vortragsreihe. Sollte diese Diskussionsrunde ähnlich verlaufen sein wie der Vortrag am Abend zuvor, dürften die Gymnasiasten einen großen Nutzen daraus gezogen haben.


Markus Benzinger