„Nicht auf Kosten anderer Leben!“ – Zum Vortrag Demokratie im Diskurs von Made Höld am 24.01.2020
Ein gänzlich neues Modell für die Demokratie, nicht weniger verspricht der Wurzacher Made Höld. Am vergangenen Freitag präsentierte er dieses im Rahmen eines Symposiums im Fach Gemeinschaftskunde allen Schülerinnen und Schülern der Kursstufe 1 am Salvatorkolleg.
Zu Beginn der etwa neunzigminütigen Veranstaltung stellte Lehrer Alexander Notz, der „Demokratie im Diskurs“ gemeinsam mit seinem Kollegen Frank Harteker organisiert hat, eine der bekanntesten modernen Utopien der Demokratie vor: Die Idee des herrschaftsfreien Diskurses. Diese entstammt der Theorie des kommunikativen Handelns und wurde von wohl bedeutendsten lebenden deutschen Philosophen, Jürgen Habermaß, entwickelt. Den Übergang zu einem politischen Denker unserer Region stellte sodann die letzte Power-Point-Folie in Herrn Notz‘ Vortrag her – mit einem Bild der berühmt-berüchtigten Kneipe „Räuberhöhle“ zu Ravensburg, die vor einer Luxussanierung gerettet wurde durch Made Höld, den Hauptredner dieser Veranstaltung.
Zunächst jedoch stellte die Schülerin Emily Stapelfeldt (KS 1) alle wichtigen Fakten zur Demokratie in Form einer kurzen, sehr anschaulichen Präsentation zusammen. Ausgehend von bekannten Zitaten Bukowskis, Churchills und Lincolns referierte sie im Schnelldurchlauf über Definitionen von Demokratie, die geschichtlichen Wurzeln dieser Staatsform, Formen der Demokratie – vom plebiszitären Schweizer Modell bis zum präsidentiellen System der USA – und vieles mehr.
Schließlich trat Made Höld ans Rednerpult. Der 55-jährige Familienvater, der sich als bekennenden Antifaschisten bezeichnet, legte sein selbst entwickeltes Demokratiemodell dar, indem er zuerst über den Anlass sprach, weshalb er sich ein solches Modell ausdenken wollte – ja musste: Der Aufstieg zahlreicher populistischer Parteien und autokratischer Herrscher in den letzten Jahren ließ ihn daran zweifeln, dass die Demokratie in ihrer augenblicklichen Form geeignet ist, das Wohl der Bevölkerungsmehrheit zu garantieren. Möglicherweise sei es an der Zeit, das in die Jahre gekommene System der repräsentativen Demokratie „zum TÜV zu schicken“, so Höld, und notwendige Korrekturen vornehmen zu lassen.
Sein Modell fußt, vereinfacht gesagt, auf drei Säulen: Zum einen sollten Wahlen fortan durch Losverfahren ersetzt werden. Wer sich für kompetent hält und gesellschaftlich mitgestalten möchte, stellt sich zur Verfügung und kann per Los in politische Gremien gelangen. Auf diese Weise wäre es nicht nur möglich, durch Steuerung und Regeln in diesen Gremien ein getreues Abbild der Gesellschaft zu schaffen – etwa indem ein Frauenanteil von 50% festgesetzt wird. Auch würde die Beeinflussung der Bevölkerung durch Wahlkampf, Wahlversprechen und Parteirhetorik aufhören. Populisten könnten Parteien und deren Vorfeldorganisationen nicht länger zum Machtgewinn nutzen.
Zum zweiten sei es angeraten, dass Deutschland aus NATO und Europäischer Union austritt, da deren Mitglieder zu oft Alleingänge wagen, die Menschenrechte nicht einhalten oder unser Land bevormunden. Als Alternative kann sich Höld eine „Werte-Union“ der etwas anderen Art vorstellen, nämlich Zusammenschlüsse von Staaten, die sich denselben Werten verschrieben haben und diese auch ernsthaft schützen wollen. So könnte Deutschland etwa in eine Union mit Staaten wie Neuseeland, Finnland und dem Senegal bilden.
Drittens schließlich obliegt es allen – und somit auch dem Staat als lenkender Instanz – für mehr Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung zu sorgen. So könnten zum Beispiel Neuwagen fortan ohne serienmäßige Klimaanlage ausgeliefert werden. Wer dennoch eine solche wünscht, müsse ein älteres Auto fahren. Der Mehrverbrauch durch die Klimaanlage würde dadurch kompensiert, dass durch die Benutzung des alten Fahrzeugs kein weiterer Neuwagen gebraucht wird, dessen Herstellung immensen Energieaufwand bedeutet. Gewissermaßen als Motto über diesen drei Säulen steht der Grundsatz „Nicht auf Kosten anderer leben“. Wer etwa ein Spenderorgan oder eine Bluttransfusion in Anspruch nehmen will, muss selbst zur Organ- oder Blutspende bereit sein.
Im Anschluss an diesen Vortrag fand eine rege Diskussion statt, in der die Schülerinnen und Schüler Fragen stellen und Kritik am vorgestellten Modell vorbringen konnten. Dabei gingen die Kursstufler vor allem auf das Losverfahren ein, äußerten Bedenken und benannten Schwachpunkte. Auch die Ideen, keine Klimaanlagen mehr in Neuwagen einzubauen und Spenderorgane nur an Organspenderausweis-Besitzer zu geben, wurden heiß diskutiert.
Diese Diskussion zeigte in ihrem Verlauf allerdings, dass die üblen Nebenwirkungen des Populismus und der ubiquitären Hetze im Internet nicht bis zum Salvatorkolleg durchgedrungen sind. In der Sache hart wurde die Diskussion von beiden Seiten mit Dialogbereitschaft und großem Respekt geführt: Der Referierende gab bereitwillig Schwächen oder unausgegorene Aspekte seines Modells zu, überraschte aber auch durch interessante Lösungsvorschläge im Detail.
Für alle Beteiligten war das Symposium ein Gewinn; ein besonderer Dank geht noch einmal an die beiden Organisatoren Alexander Notz und Frank Harteker, an Emily Stapelfeldt – und natürlich an Herrn Höld!
Markus Benzinger
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