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Menschen, die nur lieb sein können

Interview von Jana Kassas mit Jasmin Wosmann, Mitarbeiterin im Wohnhaus der St. Gallus-Hilfe in Bad Waldsee.

J. Kassas: Du hast am Salvatorkolleg 2013 Abitur gemacht. Warum hast Du den Job ausgewählt?
J. Wosmann: Ursprünglich kam die Idee von FSJ (Freiwilliges Soziales Jahr). Ich habe in Bad Wurzach in dem Wohnheim gearbeitet und hatte dort das Gefühl gehabt, gut aufgehoben zu sein. Außerdem waren das Team und die Menschen, die dort lebten, sehr freundlich und „cool“ und der Job hat mir Spaß gemacht, deshalb habe ich mich entschieden eine Ausbildung in diesem Bereich zu machen.

J. Kassas: Welche Ausbildung bzw. welches Studium braucht man für diesen Job?
J. Wosmann: Also man braucht die Ausbildung zum Heilerziehungspfleger. Hier in der Umgebung gibt es extra Schulen für diese Ausbildung und die Schule, die ich besuche, ist das „Institut für soziale Berufe“ in Bad Wurzach.

J. Kassas: Wie war dein erster Eindruck als Du zum ersten Mal da warst?
J. Wosmann: Mein erster Tag bzw. meine Hospitation in der Einrichtung in Bad Wurzach war eigentlich ganz „lustig“, weil keine Mitarbeiter da waren und alle Bewohner auf mich zugeströmt sind, da sie wissen wollten, wer ich bin und was ich hier mache! Ich wusste natürlich, dass es hier Menschen mit Behinderung gibt, aber alle Mitarbeiter waren beschäftigt und damit habe ich nicht gerechnet. Deshalb war es auch lustig, weil da manche Bewohner mich zur Begrüßung umarmt haben, obwohl wir uns noch nicht kennengelernt haben. Aber es war auch total positiv, da ich nach der Hospitation mich dafür entschied, ein FSJ hier zu machen. Es war nicht unangenehm, sondern schön und lustig.

J. Kassas: Welche Vor- und Nachteile hast Du bei der Arbeit hier?
J. Wosmann: Also Vorteile: Es macht definitiv Spaß, mit den Menschen hier zu sein und man kann auch sehr viel machen. Die Nachteile sind die Arbeitszeiten, aber ich persönlich finde, dass die Arbeitszeiten bzw. die Schichten keine schlimmen Sachen sind. Ein weiterer Nachteil ist, dass die Bezahlung klar nicht die Beste ist, aber das ist in jedem sozialen Beruf der Fall.

J. Kassas: Welche Rolle spielen dabei die Familien der Bewohner?
J. Wosmann: Das ist ganz unterschiedlich. Es gibt manche Angehörige, die man eigentlich gar nicht sieht. Sie wollen auch leider mit den Bewohnern gar nichts zu tun haben. Es gibt aber auch welche, die sich total um die Bewohner kümmern und sie regelmäßig besuchen. Also es ist unterschiedlich und individuell.

J. Kassas: Können die Bewohner Fortschritte machen? Was zum Beispiel?
J. Wosmann: Definitiv! Zum Beispiel früher hatte wir Bewohner, die oft (manchmal täglich) epileptische Anfälle hatten, deshalb war der Notarzt fast jeden Tag bei uns. Zurzeit haben diese Bewohner kaum solche Anfälle; das sind relativ große gesundheitliche Fortschritte. Die Fortschritte sind manchmal für uns klein, aber für die Behinderten selber sind sie es sehr große und effektive Fortschritte, wie zum Beispiel: die Fähigkeit sich selber umziehen zu können oder alleine auf die Toilette zu gehen. Also ja es sind Kleinigkeiten für uns, aber für die Bewohner haben diese Kleinigkeiten eine sehr große Bedeutung.

J. Kassas: Haben die Bewohner hier Freiheiten?
J. Wosmann: Es kommt immer darauf an, ob die Bewohner sich alleine bewegen können oder ob sie im Rollstuhl sitzen. Aber prinzipiell ja, da unsere Türen sich automatisch öffnen. Also jeder Bewohner darf in jeder Zeit raus- bzw. reingehen. Natürlich müssen die Bewohner, die körperlich eingeschränkt sind, eine Begleitperson dabeihaben. Wir sind nicht umsonst ein gesellschaftlich-integriertes Haus. Hier gibt es viele Bewohner, die alleine in die Stadt gehen, zum Baden gehen oder selber Einkaufen gehen, wenn sie was brauchen. Also prinzipiell hat jeder Bewohner die Möglichkeit, das Haus wann er will zu verlassen.

J. Kassas: Hat die Arbeit mit behinderten Menschen Einfluss auf Dein Privatleben? Wenn ja, wie beeinflusst sie es?
J. Wosmann: Klar! Wenn ich privat unterwegs bin, dann fallen mir die Menschen im Rollstuhl schneller auf. Und man hat ganz andere Gefühle als früher, wenn man Menschen mit Behinderung in der Öffentlichkeit trifft oder wenn sie vorbeilaufen. Außerdem hat mein Freund denselben Beruf, er arbeitet in BBF (Bildungs-, Begegnungs- und Förderungszentrum) und wir sprechen manchmal über die Arbeit bzw. unsere Erfahrungen.

J. Kassas: Vielen Dank für das Interview.