Was man vor allem lernt: den Menschen zu vertrauen – Lewin John fährt mit dem Fahrrad von Haidgau nach Indien
In achtzig Tagen um die Welt, dies war das ehrgeizige Ansinnen eines Gentlemans zur viktorianischen Zeit. In knapp 300 Tagen mit dem Fahrrad nach Indien, dieser Herausforderung hat sich Lewin John aus Haidgau, ehemaliger Schüler des Salvatorkollegs (Abitur 2012) gestellt. Am Abend des 11. Mai 2019 erzählte er im Rahmen eines Diavortrags im Foyer des Salvatorkollegs von seinen Erlebnissen. Erst eine Woche zuvor, am 4. Mai, kehrte er aus Indien zurück, auf den Tag genau ein Jahr, nachdem er von seinem Heimatdorf Haidgau aus aufgebrochen war.
Der berühmte arabische Weltreisende Ibn Battuta formulierte es im 14. Jahrhundert so: Reisen lässt dich zuerst sprachlos, danach aber zum Geschichtenerzähler werden. Dieses Zitat stand am Ende von Lewin Johns – entgegen seinen Befürchtungen, außer seiner Mutter würde niemand zu seinem Vortrag erscheinen – sehr gut besuchter Präsentation. In den zwei Stunden zuvor erzählte John seine Geschichte: Wie er im Frühling 2018 in Haidgau aufbrach, um zuerst zum südöstlichen Rand Europas zu gelangen, quer durch Süddeutschland, Österreich, Ungarn, Serbien, Bulgarien und Griechenland, wo er außerplanmäßig einen dreimonatigen Stopp einlegte, um unter anderem als Surflehrer auf der Insel Karpathos zu arbeiten.
Danach setzte er seine Reise gen Osten fort, durch die Türkei, wo er sich aufgrund des rauen Klimas stark erkältete und einige Wegstrecken mit Bus und Bahn zurücklegte, über Georgien und Aserbaidschan in den Iran. Die restliche Reiseroute nimmt sich auf der Karte etwas unregelmäßiger und sprunghafter aus. Nach einem Abstecher in die Vereinigten Arabischen Emirate nahm John vom Oman aus das Flugzeug, um nach Indien zu gelangen. So konnte er die Durchquerung Pakistans vermeiden, das unter Radreisenden keine gute Reputation genießt.
Als Radreisender machte der 24-jährige Lewin John denn auch einige ungewöhnliche Erfahrungen. Zum einen war er nie allzu lange allein. Immer wieder machte er die Bekanntschaft anderer junger Leute, die eine lange Strecke mit dem Fahrrad bewältigten: kettenrauchende Schweizer mit erstaunlicher Kondition, eine Französin, die sich nur widerwillig mit den Verschleierungsgeboten im Iran arrangierte. An manchen Punkten, etwa Fährhäfen, traf er oftmals auf ganze Gruppen von Radreisenden.
Zum anderen stellte er fest, dass es sich lohnt, den Menschen zu vertrauen. Zwar hatte John ein kleines Zelt im Gepäck, doch war er selten darauf angewiesen, in der Wildnis zu kampieren. Bereits auf dem europäischen Abschnitt seiner Reise, etwa in Ungarn, durfte er auf Privatgrundstücken sein Zelt aufstellen – oder wurde gleich eingeladen, im Haus zu schlafen.
Diese Offenheit und Gastfreundschaft der Einheimischen verstärkte sich in Richtung Osten noch. In den Emiraten wurde ihm von einem wohlhabenden Mann ein sehr ansprechendes Gästehaus zur Verfügung gestellt – selbst das staubige Fahrrad durfte mit hinein. In Erinnerung an diese Begegnung trug Lewin John zu seinem Vortrag die typische Kopfbedeckung der Emiratis, ein Geschenk seines Gastgebers. Im Iran bekam er von einem Mann, den er eben erst kennengelernt hatte, dessen Hausschlüssel in die Hand gedrückt. Zuweilen nahm die Gastfreundschaft auch skurrile Züge an: Ebenfalls im Iran stritten sich zwei Männer darum, wer dem Radreisenden aus Deutschland nun Orangen schenken dürfe. Die folgende Passabfahrt wurde für John abenteuerlich, da sein Rad schließlich mit Früchten überladen war.
Am Ende der Reise stand Indien. Hier nahm er seine angestammte Betätigung, das Radfahren, wieder auf und besuchte zahlreiche Städte, etwa das portugiesisch geprägte Goa. Zudem entschloss er sich, eine indische Schule zu unterstützen. Da er im Vorfeld seiner Reise keinen Kontakt herzustellen vermochte, ging er in Indien ganz spontan in eine Schule, um ihr Unterstützung anzubieten. Erstaunlicher Weise war diese Schule auf einen solchen Besucher vorbereitet: Lewin John wurde mit allen Ehren empfangen. Und die Spenden, die am Vortragsabend zusammen gekommen sind, gehen an eben diese Schule in Indien. Kluger Weise wurde die Spendenkasse direkt am Buffet aufgestellt, die Spenden dürften also ganz ordentlich geflossen sein.
Am Buffet konnten sich die Besucher einen kulinarischen Eindruck von der Reise machen. Zwar hatte John, wie schon erwähnt, mit deutlich weniger Besuchern gerechnet, doch reichten die orientalischen Spezialitäten aus, um jeden Neugierigen probieren zu lassen. Im Übrigen fällt auf, wie oft ein Gemüsemarkt auf den Bildern des Vortrags zu sehen war. Lewin John ist Sportler und Vegetarier: Seinen Ernährungsgewohnheiten und –vorlieben kam die jeweilige lokale Küche oft entgegen.
Markus Benzinger
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