Menschen sind sehenswürdig – Zum Vortrag „Heimat Europa“ des Schriftstellers Harald Grill
Am 3. Mai 2019 wurde am Gymnasium Salvatorkolleg der Europatag als Projekttag begangen. Einen Auftakt der besonderen Art bildete der gut besuchte Vortrag des Schriftstellers Harald Grill, der bereits am Vorabend im Foyer der Schule stattfand.
Unter dem Titel „Heimat Europa“ erzählte Grill, wie er selbst zu Beginn der Soiree betonte, Grenzgeschichten – Geschichten von Grenzüberschreitungen und Grenzenlosigkeit. Dabei mischte er Erzählungen und Plaudereien mit Lesungen aus seinen Werken. Den Anfang machte hierbei sein Roman „Hochzeit im Dunkeln“, der unter anderem davon handelt, wie seine Eltern sich kennengelernt haben. Sein Vater kehrt aus dem Krieg in seine niederbayerische Heimat zurück. Er ist gehbehindert, hat ein Bein im Krieg verloren. Seine Mutter hingegen hat ihre Heimat verloren und kommt aus Breslau in Schlesien via Dresden nach Hengersberg. Die Geschichte des Paares erweist sich als Tragikomödie, teils auch als Schelmenstück vor dem Hintergrund der mageren Nachkriegsjahre. Der Zuhörer lernt indes viel über den Schwarzmarkt in der niederbayerischen Provinz, bauernschlaue Frisöre und Geistliche, die mit Ami-Zigaretten handeln.
Die zweite Lesung steht in engem Zusammenhang mit der ersten. Der Roman „gehen lernen“ beschäftigt sich mit der Kindheit und Jugend Harald Grills, der sich in seiner Grundschulzeit erst sprachlich akkulturieren – und den niederbairischen Dialekt lernen – muss. Zeitgleich ist sein Vater gezwungen, für eine neue Anstellung beim Fernmeldeamt ordentliches Schriftdeutsch zu lernen. Heraus kommt bei Vater und Sohn, die von verschiedenen dialektalen Seiten her kommen, vorerst dasselbe Ergebnis: schlesisch gefärbtes Niederbairisch.
Nicht nur als Schriftsteller, sondern auch Reisender wurde Harald Grill bekannt. In den Jahren 2000/2001 unternahm er im Rahmen des Projekts „Zweimal heimgehen“ zwei lange Spaziergänge nach Regensburg – einmal von Syrakus, das andere Mal vom Nordkap aus. Hier lernte Grill die Vorzüge des „langsamen Reisens“ kennen: Eben nicht von Etappenziel zu Etappenziel zu eilen, sondern offen zu sein für Nebenwege, für ein Gespräch mit den Einheimischen. Das Wichtigste an einer Reise, so Grill, sind nicht die so genannten Sehenswürdigkeiten, sondern die Menschen, die auf ihre Art auch „sehenswürdig“ sind.
Dieser Gedanke stand auch beim letzten Teil des Vortragsabends im Mittelpunkt: Der Balkanreise 2015. Zur besseren Orientierung bekamen alle Zuhörer eine Karte, auf der die Reiseroute von Ungarn, quer durch Rumänien und Bulgarien, bis ins ukrainische Odessa eingezeichnet ist. So konnte das Publikum den teils haarsträubenden Erlebnissen folgen, die Grill in dem Reisebericht „Hinter drei Sonnenaufgängen“ verarbeitete und dokumentierte. An dieser Stelle sei allen gedankt, die zum Gelingen des Vortragsabends beigetragen haben, insbesondere den fleißigen Schülerinnen, die am Buffet gearbeitet haben.
Markus Benzinger
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